KunstBildungVermitltung

Feather flight Radioplay

Lehrstück


Der Federflug DX


Radioplay

 


Hier ist die Feder[1]


Stellen sie sich vor, sie werden von einem ozeanischen Wutgefühl überwältigt!

Ihr Körper ist im Zorn erstarrt, es rauscht ein Chorus aus tausend Zikaden in ihren Ohren und ihr Nacken ist versteift.

Im rechten Knie sticht ein nadelähnlicher Schmerz.

Eine Hand verkrampf sich und wird zur Faust.

Eine Wimper drückt im Augenapfel und das Jochbein zittert.

In den Füßen kribbelt es, der Boden drückt.

 

Cvvrrrrčak …

 

Plötzlich!

 

Eine Feder fliegt auf sie zu. Es ist orange. Es kommt aus dem nichts …

Perce.

Ihr Atem vibriert.

Finger bewegen sich, Arme seitlich gestreckt, dann wellenförmig in Bewegung.

Federfolgend bewegen sich ihre Augen und die Wimper gleitet aus dem Augenapfel heraus. Es fliegt mit. Sie fliegen mit.

Der Atemfluss wird sanft, der Nacken weich …

Cvrčak!

Trepavice titraju,

beide Hände gewölbt,

Hier ist die Feder!

 

In Wien, 31. Mai 2021. Tatjana Christelbauer


[1]
An das von Kurt Weill komponierte „Hier ist der Apparat“ für Bertolt Brecht Lehrstück Ozeanflug- angelehnte Bezeichnung. Erläuterungen zum „Ozeanflug“ In: Bertolt Brecht: Schriften zur Literatur und Kunst. Band I, Suhrkamp Verlag, S. 128–131 = Erläuterungen zum Lindberghflug: In: Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe, Band 24, Schriften 4, Frankfurt am Main, 1992, S. 87–89.


Gedanklicher Hintergrund


Geführte Tanzmeditation in zwei Sprachen nach Bertolt Brechts Radiotheorie und Lehrstück Ozeanflug.

Hierzu geht es um ein Spannungsverhältnis zwischen Individuum und seiner/ihrer Gefühlswelt, die Bewältigung eines bedrohlichen Zustands mittels geleiteter Bewegungsmeditation im Zweisprachenspiel. Die unmittelbare Körperlichkeit wird lautmalerisch-imaginativ, durch die Doppelpräsenz von Sprachen erfahren.

Der Federflug als Hörspiel, wird zum (individuellen) Bühnenstück und zugleich auch zum Gemeinschaftserlebnis. Ozeanisches Wutgefühl wird mit personifizierter Naturgewalt bewältigt.

Im lautmalerischen Zweisprachenspiel wird die Wut mehrfach ver-und-ent-körpert, in Begriffen verfremdet, neu verortet, frei gelöst. Die Übung wirkt beim hin-hören, hinein hören, in sich hinein hören, den Vor-Stellungen- folgend, außer sich werden.

 

„Das Lehrstück lehrt dadurch, dass es gespielt, nicht dadurch, dass es gesehen wird.“[1]

In Brechts Radiotheorie[2] steht: „Der Ozeanflug hat keinen Wert, wenn man sich nicht daran schult. Er besitzt keinen Kunstwert, der eine Aufführung rechtfertigt, die diese Schulung nicht bezweckt. Er ist ein Lehrgegenstand und zerfällt in zwei Teile. Der eine Teil (die Gesänge der Elemente, die Chöre, die Wasser- und Motorengeräusche und so weiter) hat die Aufgabe, die Übung zu ermöglichen, das heißt einzuleiten und zu unterbrechen, was am besten durch einen Apparat geschieht. Der andere pädagogische Teil (der Fliegerpart) ist der Text für die Übung: Der Übende ist Hörer des einen Textteiles und Sprecher des anderen Teiles. Auf diese Art entsteht eine Zusammenarbeit zwischen Apparat und Übenden, wobei es mehr auf Genauigkeit als auf Ausdruck ankommt. Der Text ist mechanisch zu sprechen und zu singen, am Schluss jeder Verszeile ist abzusetzen, der angehörte Teil ist mechanisch mitzulesen.“[3] 

 

Als wichtiges Stielmittel wird die Vefremdungseffekt[4] durch Zweisprachenspiel (Serbisch-Deutsch und v.v.) eingesetzt. Dadurch sollen die Rezipienten eine kritische Dis-Tanz zum ozeanischen Wutgefühl entwickeln. Die Feder fungiert dabei als Mit-spielfigur, die ´plötzlich´, ´aus dem nichts´ zu-fliegt, die Rezipienten aus einer passiven zu-hörer-Position und aus einem Zustand – herausbewegt, beim Mitspielen.

Eine andere Sprache zu verwenden, hat hierzu weitreichende Konsequenzen: sie beeinflusst die Wahrnehmung und auch die Reaktionen auf diverse Phänomene. Die Forscher, darunter Albert Costa und Joanna Corey von der Universität Pompeu Fabra in Barcelona, ​​schlagen vor, dass die Verwendung einer Fremdsprache den Menschen eine gewisse emotionale Distanz verleiht und es ihnen ermöglicht, zweckdienlichere Maßnahmen zu ergreifen.[5]


Das Lehrstück „Der Federflug“ wurde im Rahmen der Projektkooperation mit AKF Belgrad für 20 Jahre Jubiläum Österreichischer Kulturforum zu meine Präsentation Bodenwieser-Mandukic[6]- kreiert.

Diese erste Form wird noch weitergedacht, der Text wird auch mit weiteren Sprachen und Gefühlslandschaften ausgebaut.


Didaktische Überlegungen zum performativen Ansatz wurden in der Anlehnung an die mit dem Begriff der Lehrkunst von Martin Wagenschein verknüpften Ansatz und didaktische Vermittlungsformen, begründet. Der Aufführungscharakter des Lehrstücks findet die Inspiration im Werk und Nachlass des legendären serbischen Piloten und DJs-zAir Zoran Modli, u.a.


Erstaufführung "Orange Federflug" wurde am Flugfeld 13. Mai, Zemun Polje nahe Belgrad in Serbien in Kooperation mit Piloten Bosko Todorovic und seinem Team organisiert. Die Aufnahmen auf MTO Sport 914 gyrocopter wurden über die Radar-Kontrolle getätigt.

Medienpromotion: Blogartikel auf Aviatica online Magazin 

Ausstrahlung des Lehrstücks "Orange Federflug" über OKTO community TV


References:
[1]
Ausgeborgt in: http://gesellschaftfuertheaterpaedagogik.net/pages/lehrstueck.php

[2] Vgl. Der Rundfunk als Kommunikationsapparat. In: Bertolt Brecht: Gesammelte Werke in 20 Bänden. Band 18, Frankfurt am Main, S. 127–134 = Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe, Band 21, Schriften 1, Frankfurt am Main, 1992, S. 552–557

[3] Vgl. in: http://www.xn--hrdat-jua.de/select.php?S=0&col1=au.an&a=Brecht&bool1=and&col2=ti&b=Lindberghflug

[4] Anlehnend an das V-Effekt von Bertolt Brecht. ´Dadurch soll die Identifikation von Rezipienten mit den Figuren des Spieles verhindert werden, damit eine kritische Distanz und ein eigenes Urteil von Rezipienten entwickelt werden kann.´

 „Hörer sollen zum Mitspieler werden“, und: „Das Radio wird zum Sprecher und Medium in einem: es kommuniziert mit den Hörern („die Lindberghs“)“ Anm. der Verf. Vgl. in: https://web.archive.org/web/20150928143721/http://schauspiel-zentrum.de/wordpress/wp-content/uploads/2013/02/B.-Brecht-Theorie-historische-Umsetzung-und-Kritik-der-Lehrst%C3%BCcke.pdf S. 13

[5] In meine praktische Forschung über Einflüsse von diversen Sprachen auf die Kognition und Emotion, Bewegung und Handlung, habe ich solche mehrsprachigen Übungen entwickelt und mit Kindern, sowie mit Erwachsenen in interaktiven Workshops vorgestellt. Mehr dazu: https://www.tatjana-christelbauer.com/sprachenweb Bei weiteren Recherchen habe ich auch ähnliche Studien gefunden: “Thinking More or Feeling Less? Explaining the Foreign-Language Effect on Moral Judgment,” Sayuri Hayakawa, David Tannenbaum, Albert Costa, Joanna D. Corey and Boaz Keysar, Psychological Science, Aug. 14, 2017. DOI: 10.1177/0956797617720944

[6] Weblink zur Webpage mit Info zum Projekt 2017 welches in diesem Jahr weiterentwickelt wurde. https://www.acdvienna.org/acd-dance-arts/wienmoderndance/bodenwieser-mandukic/

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Tatjana Christelbauer KunstBildungVermittlung